Tech Konferenz in München, später Vormittag, ein moppeliger, leicht ungepflegter Hänger-Typ im spuckegrünen Studenten T-Shirt sitzt auf der Bühne und spricht über sein Unternehmen. Es ist WhatsApp Gründer Jan Koum und er dementiert in Seelenruhe die aktuellen Gerüchte über den Verkauf seiner Firma an Facebook. Zwei Wochen später ist der Deal, der Koum zum Milliardär macht, bestätigt. Der große Bluff! Hurra, es lebe die Jugend….(und der Tumblr Blog „Dudes in Startup Shirts“).
Den Unterschied zwischen Old and New Economy erkennt man am besten auf einer Tech-Konferenz wie dem DLD in München. Die feinen Herren in den schicken Maßanzügen sind…. nur die Anwälte der….T-Shirt und Turnschuhe tragenden Twentysomething-Milliardäre.
Die Alten gibt es nicht mehr. Der Industrie-Kapitän der Bonner Republik hängt ausgestopft im Museum. Da hat sich die Familie über Generationen gequält, zuerst die Nazi-Vergangenheit aufgearbeitet und dann die RAF überlebt, aber dann kam die Steuer-Affäre und der ehrgeizige Staatsanwalt – und das wars dann.
Und der Handwerker….. findet keine Frau mehr. Googeln Sie mal bei Tinder, welches der nachgefragteste Job bei jungen Männern ist!? Startup Gründer in Berlin!
Startup Gründer sind die Rockstars des 21.Jahrhunderts. Sie verdienen märchenhaft viel Geld, haben einen traumhaften Lifestyle – sowie zahllose weibliche Fans und ständig Sex, sogar am Montag Morgen vor der Arbeit. Hedonismus ist die Antriebsfeder aller Gründer. Es geht ihnen um Unabhängigkeit und Selbstverwirklichung.
Die Startup Szene ist eine einzige geile Party in der Spass-Metropole Berlin. Die Mieten sind (noch) verhältnismäßig günstig, oder es gibt coole Co-Working Spaces. Zudem ist Rekruting einfach. Welcher internationale Programmierer kommt nicht gerne mal nach Berlin?
Es gibt zwei Arten von Startup Gründer. Die einen sind Weltverbesserer, die eine gute Idee haben und die Probleme der Welt lösen möchten. Die anderen wollen einfach nur schnelles Geld machen und suchen noch nach der zündenden Idee (z.B. wie kann ich einen Ikea Schrank schneller zusammen bauen, kein Witz!). Das ist der häufigste Fall. Es sind junge Männer in ihren 20ern, oft aus gutem Elternhaus – denn vor dem Wagnis-Kapital braucht man erst auch mal ein eigenes kleines finanzielles Fundament.
Eine internationale Ausbildung haben sie alle und waren meist bei großen Beratungsfirmen. Aber jetzt wollen sie raus aus der Tretmühle. Kein buckeln und bücken mehr. Sie wollen Chef sein. Und zwar schnell. Das kann man ja verstehen. In Startups gibt es wenig Hierarchie und viele Executive Levels mit märchenhaften Titeln. Und alle träumen vom Einhorn! Das Unicorn! Es ist selten, aber es existiert. Als Einhorn werden in der Finanzwelt Startups bezeichnet mit einer Bewertung über eine Milliarde Dollar. Unternehmen wie Facebook, WhatsApp, Airbnb, Uber, Dropbox sind die Messlatte und dann: EXIT
Welcher deutsche Mittelständler denkt ernsthaft über den Verkauf seiner geliebten Firma nach? Wo er jeden einzelnen Mitarbeiter mit Frau, Ex-Frau und Krankheitsgeschichte kennt? Wo die eigenen Kinder in den Ferien die Werkshalle fegen? Wo der örtliche Bankdirektor noch über den Kredit entscheidet? Der klassische Mittelständler, solide und traditionell, wirkt neben dem coolen Startup Gründer wie ein Dino aus grauer Vorzeit
Der EXIT ist eine Mentailtätsfrage. Wer den schnellen Unternehmesverkauf plant, sieht das Leben kurzfristiger und unverbindlicher. Startup Gründer wollen keinen Generationenvertrag, keine Rechtfertigungen und schon gar keine Verantwortung. Sie wollen eine Work-Life Balance. Das Prinzip heißt: Work Hard, Play Hard. Tagsüber Arbeit und nachts krasse Party.
Der fantastische Lifestyle des Startup Gründers
- Er hat eine adelige Haushälterin, Alexa von Amazon. Sie ist schlau und kann Wetter und Verkehrsentwicklung auf der A100 voraussagen und weckt Herrchen 10 Minuten früher und wirft schon mal die Espressomaschine an
- Er fährt U-Bahn und Uber und träumt von einen Tesla – aber kauft sich im Sommer einen Smart, der Name ist schließlich Programm. (Einschränkung für München: hier fahren Gründer G-Klassen und träumen vom U-Bahn fahren, gute alte Zeit, als man ohne Bodyguards auskam)
- Erste Amtshandlung des Startup Gründers: Basteln des Firmen-Logo-T-Shirts! Jedes Startup hat ein eigenes Logo-Shirt. Das wird im Freundeskreis verteilt. It’s all about Branding…
- Außerdem besitzt er eine Sammlung seltener Turnschuhe, die seine Programmierer beeindrucken, darunter ein Yeezy Red October sowie einen Jordan 4 Carhartt X Eminem für 25.000 Dollar
- Seine Möbel sind Scandi Style (sprich: aus Skandinavien) und von Hay, seine Matratze ist von Casper – die Startup Szene unterstützt sich gegenseitig
- Der Augenarzt lobt seine Sehstärke, er liest „Blog Tech“ – und sieht die Realität virtuell dank seiner Brille Oculus Rift,
- Er ist ein Foodie, verschlingt „Chefs Table“ auf Netflix und ernährt sich super healthy. Zum Frühstück gibt’s eine Acai Bowl mit grünem Juice und: Filterkaffee! Er steht auf guten, alten Filterkaffee, sein ironischer Nostalgie-Moment
- Er hat für alles eine App, wirklich für alles! Zur Zeit testet er die Pro-Version von „Runtastic“, vom Gründer persönlich überreicht
- Er wohnt NIE im Hotel, sondern bucht Airbnb, gegenseitiges featuren, wie gesagt. Er übt Yoga und meditiert. Man trifft ihn bei Betty ’n Caty, seinem Lieblings Café in Berlin, auf Bumble, seiner Dating App sowie beim Garbage Festival in Polen
- Seine meist benutzen Worte sind „Disruptive“ und „scalierbar“ übersetzt: Mowgli und die Riesenschlange Kaa
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