Jeden Donnerstag um 21.45 Uhr kommt Klaus von seiner Vorstandssitzung heim, er ist dann schlecht gelaunt, leicht aggressiv und genervt. Ich schaue, dass die Kinder nicht nur im Bett sind, sondern auch schlafen und dass der Tisch prachtvoll gedeckt ist und ein Glas Rotwein, Black Print von Schneider, zur Verköstigung bereit steht. Klaus muss runter kommen.
Klaus ist 48 Jahre alt und wirklich meine große Liebe. Er ist groß, gutaussehend und souverän, mein bester Freund und Beschützer. Die Sache ist nur: Wir sind im verflixten siebten Jahr.
Als wir uns kennen lernten, war ich gerade mit dem Studium fertig und hatte eine Stelle in einer Wirtschaftskanzlei in München ergattert. Klaus mußte von München nach Frankfurt umziehen für seinen Vorstandsjob. Da wir beide sehr viel arbeiteten, auch am Wochenende, beschlossen wir schnell Nägel mit Köpfen zu machen. Ich wußte von Anfang an, dass das mit Klaus eine feste Sache war. Nie hatte ich Zweifel, auch nicht wegen des Altersunterschieds.
Ich kündigte, zog nach Frankfurt und bekam unsere beiden Töchter, wir kauften unser Haus in Kronberg, ich richtete es schön ein, Klaus bezahlte für alles. Arbeitsteilung, schon klar, aber jetzt sitze ich hier im Taunus, in einem goldenen Nest, und grübele: war’s das mit mir und meinem Leben? Zwischen Golfplatz, Yoga Studio und Schloßhotel? Kommt da noch was?
Ich weiß, was jetzt viele Leserinnen denken: Klagen auf hohem Niveau. Stimmt und stimmt nicht, denn: ich will nicht mehr Geld. Oder noch ein größeres Haus. Ich will einfach wieder selbständig sein. Unabhängig von einem Mann. Meinem Mann.
Wenn Klaus das zweite Glas Black Print getrunken hat, wird er ein bißchen ruhiger. Davor zettelt er immer irgend einen Streit an, er braucht ein Ventil, das Ventil bin ich. Das kann auch morgens beim gemeinsamen Familienfrühstück sein. Oder am Sonntag nach dem Kaffee. Er nörgelt am Essen, schimpft, dass die Spielsachen rumliegen, zu viele Mäntel in der Garderobe hängen oder warum der Maler noch immer nicht den Erker im Flur bemalt hat. Immer bin ich die latent schuldige. Du hast doch den ganzen Tag nichts zu tun, schimpft er dann, was machst Du eigentlich, außer mein Geld auszugeben?! Das ist gemein und verletzend, Klaus weiß das natürlich, und dann tut es ihm leid.
SEIN Geld ausgeben. Klaus gibt mir jeden Monat am 13. genau 2000 Euro in bar. Zehn 200 Euro Scheine, frisch von der Bank. Das ist mein Taschengeld. Ja, Taschengeld. Money für meine persönlichen Bedürfnisse. Kosmetika, Klamotten, Kino. Zu meiner freien Verfügung. Ich weiß, das ist viel Geld. Aber nichts für mein Seelenheil. Klaus gibt mit die 200 Euro Scheine und guckt dann so, ja, so ostentativ neutral. Er versucht, sich nicht anmerken zu lassen, was er denkt. Nein, sein Blick ist nicht herablassend oder arrogant. Es ist nur eine kleine Nuance, aber sie trifft mich, diese Nuance, in die ich Gönnerhaftigkeit und Eigentumsdenken hinein interpretiere. Ja, Klaus besitzt mich. Ich bin von ihm abhängig. Das sagt er natürlich nicht, aber sein Blick spricht Bände. Und ich fühle ich hilflos und ausgeliefert.
Klaus zahlt alles. Das Haus, unsere Haushälterin, unser Kindermädchen, den Gärtner, den Swimmingpool, unsere beiden Autos, seinen 911er Porsche, meinen Cayenne, unsere Urlaube in St.Moritz und St.Tropez, unsere Monatsrechnungen bei Meyer Delicatessen, und wenn wir shoppen auf der Goethestrasse „darf“ ich mir bei Prada und Gucci etwas tolles aussuchen.
Einmal im Monat speisen wir mit den anderen Vorständen und deren Gattinnen im Holbein’s, ich komme mir dann immer wie eine ausstaffierte Trophäe vor. 10 Jahre jünger wie alle anderen, schöner, moderner – und gelangweilt. Die Gespräche mit den anderen Damen verlaufen ausgesprochen nett, aber drehen sich um die ewigen Themen Schule, Essen, Golf- oder Tennisclub.
Es fehlt es mir an geistigem Austausch. Ich interessiere mich für Klaus Job, aber er redet NIE darüber, wenn er spät nachhause kommt, ist er fertig und will schweigen. Auch mit den Frauen aus meinem Yoga Kurs kommen keine wirklich anregenden Gespräche auf. Wir trinken nach der Stunde noch einen Kaffee, es geht immer um die sensationellen Leistungen ihrer sensationellen Männer oder ihrer sensationellen Kinder. Habt ihr denn nichts EIGENES, auf das ihr stolz sein könnt? Meine beiden Töchter sind 5 und 3 und auch bezaubernd und mein Mann ist auch eine Granate, aber ICH???
Ich bin nicht mehr die unbeschwerte, lustige und neugierige junge Frau, die damals dem schlauen Banker Klaus im Käfer Zelt während der Wiesn über den Weg lief. Klischee Klischee. Ich bin eine Trophäe geworden und weiß schon garnicht mehr, ob ich mir das alles einbilde, ob unser Leben real ist, oder nur für irgendein Image existiert.
Bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Mein Leben ist High End. Luxus pur. Aber ich weiß einfach nicht mehr, ob ICH das bin. Ob ICH dieses blonde, geföhnte, manikürte, ausstaffierte Glamour-Wesen bin, das Klaus bei seinen Geschäftsessen an seiner Seite hat. Bin ICH das wirklich?
Ich bin 32 Jahre alt und gefangen in meinem eigenen Leben. Mein Spielraum ist begrenzt auf Kronberg und die Goethestrasse, nochmal: ja, das ist Klagen auf hohem Niveau. Und NEIN, ich will Klaus nicht verlassen. Ich will nur dieses vorhersehbare, belanglose, zuckersüße Schema-X-Leben verlassen.
Bin ich undankbar? Klaus‘ Firma läuft, aber Er, nein: WIR entwickeln uns nicht weiter.
ICH möchte nicht abhängig sein von der Marktentwicklung in China, vom Dollarkurs oder terroristischer Aktivitäten in Latein Amerika. Den Stimmungsschwankungen von Klaus. Ich möchte nicht, dass der Konzernumsatz von Klaus mit dem Lebensglück von mir und unseren Töchtern auch nur ansatzweise in Verbindung steht. Und doch ist es so. Genau so.
Ich lebe hier und heute. Ich will mein eigenes Leben leben, gestalten und entwickeln. Ich will wieder ICH sein. Und dazu brauche ich wieder einen Beruf, eine Berufung und mein eigenes Geld!
Letzte Woche habe ich meinen ganzen Mut zusammen genommen und mit Klaus geredet. Ich wußte, dass er viel um die Ohren hatte und keine Ohren für mich mehr. Aber es hilft nichts und irgendwann bahnen sich die Gefühle ihren Lauf. Wir redeten die ganze Nacht. OBWOHL er am nächsten Morgen eine „wichtige „Sitzung hatte. Aber: bei Klaus ist doch sowieso alles wichtig und bei mir….nicht. Was kann eine Hausfrau schon „Wichtiges“ haben?
In dieser Nacht habe ich Klaus mein Herz geöffnet. Ich bin aus meiner gespielten, eingeübten Rolle als „braves Frauchen“ zur Seite getreten und war wieder ICH. Es war wie früher in unserer Anfangszeit. Dieses tiefe, bedingungslose Verständnis, die Bereitschaft, auf den anderen zu zu gehen. Zu versuchen, ihn WIRKLICH zu verstehen.
Ich bin jetzt erleichtert. Klaus weiß, dass ich SO nicht den Rest meines Lebens verbringen will. Ich habe kein bayerisches 13 Punkte Examen geschrieben, um zu verdörren. Er versteht es WIRKLICH. Er will nicht, dass ich unglücklich bin. Er will nicht, dass sich sein Stress auf mich und auf uns überträgt. Er will mich vor allem nicht verlieren.
Ich bin sieben Jahre nicht berufstätig gewesen. Sieben Jahre raus aus dem Geschäft. Sieben Jahre war ich daheim und habe ein Luxusleben genossen, während andere Frauen täglich malochten. Ich bin im verflixten siebten Jahr, aber mit der Hilfe meiner Familie und der Unterstützung von Klaus werde ich da anknüpfen, wo ich aufgehört habe, einem bezahlten Job in einer Anwaltskanzlei…
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