Sonntag Nachmittags, wenn die Sonne scheint, ist es besonders schlimm. Ich gehe dann im Englischen Garten spazieren und sehe lauter verliebte, Händchen haltende Pärchen oder Paare mit Kinderwagen oder ältere Menschen, die wenigstens nicht alleine laufen…so wie ich.
Nein, das wird keine Mitleids Story, ich brauche auch kein Mitleid, ich brauche einen Mann. Der ist aber nicht so leicht zu finden, vor allem nicht in München. Wobei, ich lebte vorher 8 Jahre in Düsseldorf, da ging auch nichts oder wenig.
Ich bin 38 Jahre alt, Anwältin für internationales Privatrecht, ich verdiene gutes Geld, sehe passabel aus, bin 1,73m groß, wiege 60 Kilo und habe dunkelblonde, halblange Haare. Eine gepflegte Frau würde man sagen. Ich lege Wert auf mein Äußeres. Ich trage hochwertige Kleidung von guten Marken wie Strenesse, Marc Cain oder Airfield, meine Schuhe kaufe ich bei Tod’s, und meine Taschen sind von Michael Kors. An meinem Äußeren kann es also nicht liegen.
Mit 28 war ich kurz verheiratet mit Ulf, 15 Jahre älter als ich und ein Looser, wie sich bald heraus stellte. Er hatte eine Firma für erneuerbare Energie, die er kurz nach unserer Hochzeit kläglich in den Sand setzte. Die Insolvenz führte zur Zerrüttung unserer Ehe, erst stritten wir jeden Abend und dann schwiegen wir nur noch und als ich das Job-Angebot aus Düsseldorf bekam, reichte ich die Scheidung ein und versuchte ein neues Leben zu beginnen. Ich war 30, die Welt stand offen. Dachte ich.
Wenn man neu in eine Stadt kommt, ist man zunächst einmal unsicher. Ich kam aus Würzburg, da laufen die Uhren einfach anders. Alles ist klein, gemütlich und vorhersehbar. Die Großstadt, die große Kanzlei, die schicken Menschen, die Kö, die glamourösen Restaurants im Medienhafen… da muß man sich erst mal umgewöhnen. Ich kannte keinen Menschen. Ich war einsam. Bitter einsam. Einmal die Woche gingen wir mit unserer Abteilung zum Abendessen, aber am Wochenende saß ich meistens alleine rum. Ich ging dann zum Shoppen oder in die Kanzlei..aus Frust und Langeweile und auch aus Angst, mir eingestehen zu müssen, dass die Scheidung von Ulf vielleicht doch keine so gute Idee war. Er hatte schnell eine neue Liebe gefunden – und eine neue Firma gegründet. Wäre ich bei Ulf geblieben, wäre ich eine angesehene Frau in Würzburg. So war ich eine unbekannte Anwältin in Düsseldorf.
Wie lernt man Leute kennen? Wie findet man einen Mann? Ich meldete mich im Fitnessstudio an. Doch die Leute da waren 10 Jahre jünger als ich und es waren auch viele tätowierte Typen dabei, das ist nicht mein Geschmack, ich möchte einen Akademiker als Partner. Einen Mann auf geistiger Augenhöhe. Neues Studio, neues Glück? Studio Wechseln geht gar nicht so einfach, ich hatte einen Jahresvertrag unterschrieben, aus dem ich nicht raus kam.. ich wechselte natürlich trotzdem mit dem Ergebnis, dass ich doppelt zahlte, aber immer noch keinen Mann kennen lernte. Ganz ehrlich, wenn man einen „normalen“ Mann sucht, findet man den nicht in einem Sportstudio. Auch wenn das in Frauenzeitschriften immer als Tipp steht. Es stimmt nicht. Bei den Parties der Studios stand ich alleine rum, am Anfang redete die Trainerin noch mir mir, aus Höflichkeit, das war klar, aber dann… schrecklich. Ich stand rum und kam mir alt und grau vor neben diesen Anfang 20jährigen tätowierten Model-Typen.
Wie findet man einen Mann? Am Arbeitsplatz. Thomas arbeitete in der HR Abteilung, wir hatten wegen einer kniffeligen Sache ab und zu telefoniert, verstanden uns gut und bei der Weihnachtsfeier…ja, es ist ein schlimmes Klischee. Wir tranken viel, waren locker, zogen weiter…. und landeten bei mir im Bett. Die erste Liebesnacht seit der Scheidung, mein erster Sex seit Jahren, es tat so gut und ich war im Rausch. Thomas war nicht verheiratet, aber er hatte eine Freundin…und ein Kind mit ihr. Die Beziehung war am kippen, sagte er, ich musste also kein schlechtes Gewissen haben. Unsere Affäre ging ein ganzes Jahr. Am Anfang hatten wir ständig Sex, überall, sogar bei uns in der Kanzlei, auf der Toilette, am Wochenende, es war so sexy. Aber Thomas trennte sich einfach nicht von seiner Freundin. Erst mußte das Kind noch die Krippeneingewöhnung hinter sich bringen, dann hatte die Freundin Psycho-Probleme, dann musste man doch gemeinsam in die Sommerferien, weil das schon lange gebucht war, dann durfte ich auch nicht mehr am Wochenende anrufen, weil seine Freundin angeblich sein Telefon kontrollierte. Um es kurz zu machen: Thomas hat mich verarscht. Er hatte nie wirklich vor sich von seiner Freundin und seiner Tochter zu trennen. Denn die Freundin wurde wieder schwanger. Thomas gab deshalb einen Sektempfang in der Kanzlei, weil er sie außerdem auch noch heiratete. Das war einer der bittersten Momente in meinem Leben. Gute Miene zum bösen Spiel machen. Tapfer bleiben. Nicht heulen. Ich hatte auf das große Los gehofft..aber das Los war eine Niete.
Wenn man sehr einsam ist, greift man zum äußersten. Zur Mouse-Taste. Nach einem verheulten Monat meldete ich mich bei der Partner Vermittlung Elite Partner an. Langer Fragebogen, man sieht gleich schon die ersten Angebote, ich dachte, okay, ist ja egal, man muss über seinen Schatten springen. Natürlich würde ich meinen künftigen Mann lieber auf normalem Wege treffen… aber egal, das Ergebnis zählt.
Singles mit Niveau…ist eine Frage des Standpunktes. Obwohl ich ganz klar formuliert hatte, dass für mich nur ein Akademiker in Frage kommt, meldeten sich viele Nicht-Akademiker. Handwerker, Vertriebler, Freischaffende, aber ich will die nicht. Ich will keinen Metzgermeister. Ich will auch keinen Taxiunternehmer, auch wenn Harald, so hieß er, 15 Mercedes Limousinen am Start hat. Mich interessieren weder die Lizenzkosten für ein Taxi, noch wie oft ein Wagen in die Wartung muss. Ich bin eine gebildete Frau, ich möchte einen Mann mit einem abgeschlossenen Hochschulstudium und über Kunst, Kultur oder wenigstens Politik sprechen. Harald rief nach unserem „Date“ auch nicht mehr an, ich glaube, er hatte verstanden…
Die Sache mit Gerry mache ich kurz. Zahnarzt, geschieden, Tennisspieler und gut aussehend. Zwei Abendessen, einmal knutschen, zig Telefonate, er lebte in Berlin. Da besuchte ich ihn am Wochenende. Gott, war ich aufgeregt. Hatte mir extra neue Wäsche gekauft, Gerry hatte am Telefon so Andeutungen gemacht, dass er darauf steht, mein Gott, dachte ich, sei offen für diesen Traum-Partner. Es schien alles soooo perfekt. Wir gingen zum Abendessen in das Restaurant Tim Raue, vornehm, cool und gediegen aber nach der ersten Flasche Cabernet Sauvignon lenkte er das Gespräch auf Sex und sexuelle Vorlieben. Ich bin da eher normal gestrickt und wunderte mich schon ein bißchen, was er so erzählte. Aber es war ja so: ich hatte einen Flug bezahlt und ein Hotel, ich hatte mich gefreut und geistig darauf vorbereitet ein scharfes Liebensweekend in Berlin zu verbringen. Hätte ich aufstehen sollen nach dem er mich fragte, was ich von „härteren“ Sachen hielte? Was soll das denn sein, das weiß man doch nicht einfach so.
In seiner Wohnung fingen wir zu knutschen an, mir was etwas mulmig, denn ich ahnte, was kam. Gerry ist ein S&M Anhänger. Sado Maso mit Peitschen, Fesseln und Augenbinde. Er hatte ein ganzes Arsenal von „Spielzeug“ wie er es nannte. Ich weiß bis heute nicht, warum ich diesen Scheiß mitgemacht habe. Es war nur schrecklich. Es war erniedrigend und tat weh – vor allem in meiner Seele. Ich bin das nicht. Ich bin eine normale Frau, die einfach nur einen normalen Mann sucht. Das ist doch nicht zuviel verlangt.
Nachdem Sex mit Gerry floh ich aus seiner Wohnung. Ich habe mich so geschämt. Ich kam mir beschmutzt und entehrt vor und vor allem so alleine. Zurück im Hotel bekam ich einen Nervenzusammenbruch. Ich heulte den ganzen Samstag, ging nicht aus dem Zimmer. Dann rief ich meine Cousine Susanne an, die in München wohnt. Susanne sagte, Mensch, komm nach München, hier erlebst Du nicht so einen Scheiß. Und so bin ich jetzt in München.
Ich habe immer noch keinen Mann. Aber ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben. München ist gediegen und schick, es gibt wirklich viele gut aussehende Akademiker, gerade auch bei mit in der Kanzlei. Ich bin mit meiner Cousine, die auch Single ist, öfter abends unterwegs… wer weiß….
Fotoquelle: Instagram
Naja, einfach locker bleiben. Leider findet man auf Zwang keinen Mann. Das müssten sie mit Anfang 30 doch wissen. Einfach auf sich zukommen lassen. Wer selbst so verzweifelt sucht, zieht nur solche Männer an, die genauso auf der Suche sind. Und das sind dann keine Traummänner.
Danke für Ihren Kommentar. Die Sache ist ja leider die, dass junge Frauen in ihren Dreißigern häufig Torschlusspanik bekommen und ja, dann verkrampft man. Das wäre auch die ehrliche Antwort zu der Frage: warum finde ich keinen Mann….
Es grüßt herzlichst,
Annette Weber
Liebes Team,
ein Text, der mir – gerade als Düsseldorfer – mehr als bekannt vor kommt. Immer dieselbe Geschichte. Gut geschrieben – wenn auch frei erfunden – enthält er alle Textelemente und Stereotypen, die mir Frauen in den letzten 10 Jahren hier immer und immer wieder erzählen. Und so, wie – verständlicher Weise – die Anwältin nicht über Taxilizenzen reden will, wollen wir Männer nicht dauernd darüber reden, welchen Raum wir und welche Nähe wir irgendjemandem geben. Einfach erfahren und neugierig sein hilft…
Ich verbringe einen Großteil meiner Freizeit damit, mit diesen vorgefassten Meinungen aufzuräumen. So, wie die gute Anwältin das macht, wird das Nichts – zumindest ist es sehr unwahrscheinlich.
Und der Text gibt den Frustrierten einfach das Gefühl, nicht allein zu sein. Also Gratulation! Übrigens würde ich gerne ein Abendessen im Breidenbacher Hof verwetten, dass den Text ein Mann geschrieben hat 🙂
Danke für den Kommentar, ich habe Ihnen ja schon auf Ihre Mail geschrieben…. die „Geschichte“ ist Realität, leider, aber ich kann Ihnen sagen, dass die Dame in München jetzt Golf spielt und wer weiß…
Herzlichst,
Annette Weber