Bambi ist verliebt in einen Hochstapler. Sie ist blind vor Liebe und ENDLICH glücklich mit dem Mann ihrer Träume, sagt sie, und weiß nicht, dass der Typ sie an der Nase herum führt.
Bambi ist eine meiner ältesten und engsten Freundinnen, wir waren zusammen im Internat und als ihr Vater in Südafrika lebte, verbrachte sie sogar Weihnachten und Ostern bei uns, ist also fast ein Teil meiner Familie. Bambi ist die lustigste und herzlichste Person, die man sich nur vorstellen kann, nicht wirklich hübsch, aber attraktiv, mit langen rotbraunen Locken und einem wirklich umwerfenden Lachen. Vor allem ist Bambi finanziell unabhängig, ich glaube, das heißt so, wenn man aus einer schwerreichen Familie stammt, das einzige Kind ist und vom Weltreisenden Papa eine monatliche Apanage erhält, die dem Gehalt eines tüchtigen Geschäftsführers entspricht.
Deshalb wußte Bambi schon immer was sie mal später werden wollte: Privatier. Bambi arbeitet nicht. Sie geniesst ihr Leben. Und dazu gehört – leider – eine permanente falsche Männerwahl. Bambi hat einen Hang zum Personal. Mit 20 hätte sie beinahe einen irischen Animateur geheiratet, aber ihr Vater lockte sie zwei Monate nach Miami und dann war der Ire passé. Ja, schon klar, keine Vorurteile, aber der Ire war WIRKLICH nicht präsentabel.
In den Zwanziger kann man herrlich verrückt sein, aber in den Dreißigern sollte man langsam zur Vernunft kommen. Wir sind letztes Jahr beide 40 geworden, ich bin seit 5 Jahren verheiratet und habe nochmal eine süße Tochter bekommen. Aber Bambi sucht noch…
….wie jeder andere Mensch nach Liebe und Geborgenheit. Und hängt sich an Männer, die immer irgendwie seltsam sind. Vom drogensüchtigen DJ bis zum professionellen Pokerspieler war schon alles dabei.
Deshalb war ich hoch erfreut, als sie mich vor ein paar Wochen anrief und sagte, dass sie endlich Mr.Right gefunden hätte. Ein belgischer Edelmann, Banker, 45, und neu in der Stadt. Mit Maßanzügen, guten Manieren und geregeltem Leben, Du wirst staunen, schwärmte sie.
Ja, ich staunte tatsächlich. Ich traf die beiden bei einer Foto Vernissage und fand spontan, dass Charles, der Edelmann, ein wenig nach Alkohol roch. Aber vielleicht lag ich ja falsch. Beim anschließenden Abendessen mit dem Künstler saß mir Charles schräg vis a vis und….quatschte und quatschte. Wie eine billige Concierge – aber nicht wie ein blaublütiger Banker. Na gut, dachte ich, da sieht man mal, weg mit den Vorurteilen, von wegen Banker sind diskret, intelligent und souverän.
Zeitgleich hatte ich ein bißchen Ärger mit unserer Haushälterin. Sie erzählte mir aufgebracht, dass ihre Kollegin neuerdings tatsächlich 20 Euro pro Stunde verdienen würde – ich zahle 13 Euro – und das wir dringend anpassen müssten. Ich sagte ihr klipp und klar, dass 20 Euro ein Phantasie-Preis sei und so stritten wir und sie drohte mit Kündigung. Wir verschoben die Entscheidung auf das Quartalsende.
Mein Mann hatte Geburtstag und ich gab zu Hause ein Spargelessen und lud Bambi und ihren Charles dazu ein. Zwölf Personen, acht Uhr. Um 8.30 Uhr rief Bambi an und sagte, sie verspätete sich geringfügig. Sie kamen um 9.15 Uhr, ich war etwas säuerlich…. die beiden seltsam heiter.
Bevor wir endlich zu Tisch gingen, sah ich im Augenwinkel, dass Charles einen Gin Tonic, ja, man kann es nicht anders sagen, hinunter stürzte. Ich habe noch nie in meinem Leben einen Menschen so schnell ein Getränk verschlingen sehen. Da erkannte ich den ersten Teil der Wahrheit: Charles ist Alkoholiker.
Bei den folgenden Tisch Gesprächen war ich hellhörig. Ich lenkte das Thema auf Belgien, Charles angebliche Heimat, auf Brüssel und die Währungsunion. Mein Mann und unsere Gäste kennen sich aus mit dem Euro und so entsprang eine muntere Diskussion über Zinspolitik – aber Charles, der „Banker“ blieb auffallend still.
Das kann nicht sein, dachte ich immer wieder, das DARF nicht sein. Der Typ ist kein Banker. Der ist was ganz anderes. Aber mein Mann meinte nur ich spinne und so beruhigte ich mich. Bis…
…meine Haushälterin kleinlaut erzählte, dass ihre Kollegin – die mit den 20 Euro – seit Wochen schon auf ihr Gehalt warten müßte und sie, meine Haushälterin, jetzt doch gerne bei mir bleiben würde….ach prima dachte ich und hörte fast nicht mehr zu…dabei ist der Typ sogar adelig….wartet auf Geld aus Brüssel…übernachtet bei einer reichen Freundin…nicht erreichbar…Es war ein Schlag in die Magengrube und mir fiel es wie Schuppen von den Augen. Das war Charles.
Wie sieht der Mann denn aus, dem ihre Kollegin Geld schuldet, fragte ich. Weiß sie nicht, sagte meine Haushälterin, aber die Kollegin hätte in seinem Pass gesehen, dass er Karl-Heinz hieße – dabei nannten ihn alle Charles.
Um es kurz zu machen: das mit dem Adelstitel stimmt – Karl-Heinz hat in Vorzeit eine wesentlich ältere Baronin geheiratet – aber der Rest ist gelogen. Charles ist kein Banker. Er lebte auch nicht in Brüssel. Er war die letzten Jahre im Knast in Österreich wegen Betrügerei.
So. Und das sagen Sie mal ihrer Freundin, die in Liebe entbrannt ist. Oder soll man es NICHT sagen, es verschweigen und hoffen, dass der Mann sich gebessert hat? Ein redlicher Mensch geworden ist? Hat man das Recht, das Glück seiner Freundin SO auf die Probe zu stellen, zu riskieren, es zu zerstören? Denn was war, ist ja schließlich Vergangenheit…. und soll vielleicht besser ruhen….
Was würde ICH mir wünschen? Die Wahrheit?
Wir müssen uns treffen, sage zu ich Bambi am Telefon. Allein. Allein? Wie schade, meint sie und kommt eine Stunde später mit leuchtenden Augen angerauscht, das „Glück“ steht ihr ins Gesicht geschrieben. Ich muss Dir was sagen, fange ich an. Sie setzt ein trotziges Gesicht auf. Sie ahnt, was kommt. Du, der Charles beginne ich, sie unterbricht mich barsch……das ist alles gelogen was die Leute über ihn reden und außerdem Vergangenheit. Und rattert eine geschönte, weichgespülte Geschichte des Herrn Baron vor mir runter. Alles nur Neid, böse Zungen, alles ganz anderes und überhaupt…. sie bricht in Tränen aus. WAS GEHT ES DICH AN? Es ist MEIN Geld und MEIN Leben ich kann damit machen, was ich will…..und das stimmt natürlich. Bambi, bitte, sei wenigstens vorsichtig, doch Bambi will nicht zuhören, sie will das nicht wissen, sie will glücklich sein. Sie beleidigt mich, Du bist ja nur eifersüchtig, Dein Mann ist mittelmäßig und meiner toller… Kindergartenkram, dann geht Bambi, knallt die Haustüre zu und nimmt seit zwei Wochen den Hörer nicht ab, wenn ich anrufe.
Charles ist kein Hochstapler im Sinn dass er Bambi um Geld betrügt. Zumindest weiß ich nichts davon. Aber er ist bei ihr eingezogen, er fährt mit ihrem Porsche und kauft beim Feinkostladen auf ihre Monatsrechnung und wenn wir uns da zufällig treffen, dann weicht er mir aus.
Und ich weiß nicht, was ich tun soll. Abwarten?
Fotoquelle: Instagram