Auch ich selbst (Foto oben) hatte mich mordsmäßig aufgebrezelt. Camelfarbene Cashmere Culottes von Max Mara, dazu ein edles Ledertop von Frauke Gembalies und mein Markenzeichen: High Heels, flauschig von Jil Sander.
Hätte ich mal auf meinen Sohn gehört! Schon im Vorfeld der Lesung, als wir im Familienkreis diskutierten, welches Kaptitel ich lesen sollte, meinte er: keine Tipps aus der Großstadt Perspektive! Und schon gar nicht das Kapitel über Schuhe.
Der kurze Weg von meinem Elternhaus zum Berzelhof ist nämlich äußerst kurz, aber mit seinem Kopfsteinpflaster ein Stolperstein in die Realität.
Mode in der Provinz. Ist die ganz hohe Schule. 5 Dinge, die Provinz-Frauen uns Großstädterinnen voraus haben.
- Bequeme Schuhe. Trägt man aus Notwendigkeit und Vernunft. Standfest nach dem dritten Abendschorle, Kopfsteinpflaster High Heel Killer, Fahrrad-Pedale und Absätze vertragen sich auch nicht, und das Gassi gehen nachts im Domgarten….Soweit so flache Schuhe. Jetzt kommt die Herausforderung. Auch in der Provinz (an dieser Stelle KEINE Diskussion was ist Provinz, darf man das Wort überhaupt noch benutzen, ist es nicht negativ, ist es nicht sondern liebevoll gemeint), auch in der Provinz möchten Frauen toll und attraktiv aussehen. Und jetzt finden Sie mal flache Schuhe, die es in Punkto Style, Eleganz oder Sexappeal mit glamourösen High Heels aufnehmen können?! Provinz-Frauen verwenden folgenden Trick. Sie kaufen von den bequemen Schuhen nur die schicksten, Tods in Reptil-Optik, Ballerinas im Chanel-Style, flache Manolos mit dekorativen Silber Schnallen…und die stylen sie sexy. Zur 3/4 Jeans die den Knöchel zeigt. Zum kurzen Rock, der die Fahrradtrainierten Beine inszeniert.
- Heißer Scheiß – lässt sie kalt. Provinz-Frauen haben eine entspannte Haltung gegenüber aktuellen Modetrends. Bis sich in Speyer durch gesetzt hat, dass Dior T-Shirts mit feministischen Slogans gerade in sind, sind sie längst bei E-Bay im Sale. Und es ist auch egal, ob man die Prada Tasche aus der AKTUELLEN Kollektion trägt. Who Cares? Du wirst hier nicht nach der Aktualität Deiner Kleidung bewertet. Frauen in der Provinz kaufen hochwertige Basics, sie kennen den Unterschied zwischen modern und modisch…
- Qualität ist die harte Währung! Die Ehemänner der Provinz Damen sind gesunde Mittelständler. Deutschland ist dezentral, in den Großstädten leben die Industriellen, die Startup-Könige, die Bauträger, in den Kleinstädten siedelt der Mittelstand. Handwerksbetriebe, Zulieferer, Qualität made in Germany ist hier geboren und zuhause und so werden schon die Kinder dazu erzogen, solides Handwerk und Qualität zu schätzen. All das, womit die großen italienischen Modefirmen Werbung machen, diese vielen Qualität-Anzeigen, dies wird in der Provinz wirklich Wert geschätzt. Der perfekte Cashmere Pullover! Der herausragend verarbeitete Wintermantel! Die handgenähte Tasche!
- Schönheitsideal: gesund. Dünne Frauen werden in der Provinz bemitleidet, weil man sie für krank hält. Welche „gesunde“ Frau ist schon ein Klappergestell? Das führt dazu, dass Provinz-Frauen die regionale, meist deftige Küche schätzen, sie essen und sie trinken gerne, sie sind selten auf Diät und deshalb komplett entspannt und sehen überhaupt nicht ein, warum sie mit Größe 42 unglücklicher sein sollen, als mit Größe 36. In der Provinz tragen Frauen tatsächlich eine Konfektionsgröße mehr, das ist kein Vorurteil, sondern Realität und in dem Punkt äußerst sympathisch.
- Man ist treu. Und kauft stationär. Fragen Sie mal in großen Geschäften in Frankfurt, Mannheim, Stuttgart oder München nach Stammkundinnen. Sie werden immer wieder hören, dass einige der Top-Kundinnen aus der Provinz stammen. In kleinen Städten ist das Angebot dürftig und so fahren Provinz Frauen zum shoppen in die Großstadt. Das wird als Event inszeniert. Man zieht sich gut an, man flaniert, trinkt ein Gläschen Prosecco und gibt dann eine sehr ordentliche Summe im Lieblingsgeschäft aus, wo es eine Stammverkäuferin gibt, die seit Jahren eine richtig gute Beratung macht, die die Garderobe der Kundin kennt und ihr neue Teile sinnvoll empfehlen kann. Und abends fährt die Provinz Frau glücklich heim und erzählt den Freundinnen vom Shopping-Trip und die Freundinnen pilgern dann auch in diese tolle Boutique in der Großstadt
Fotoquelle: Instagram
Liebe Frau Weber,
Vielen dank für diese äußerst gelungene Fallstudie! Da ich selbst in der Provinz in den Tiroler Alpen lebe, habe ich auch schon des Öfteren feststellen müssen, dass die Fashionuhren hier anders ticken! Man kann natürlich darüber streiten ob Kitzbühel nicht eher als Edelprovinz durchgeht, wo hier doch sehr viele High End Labels vertreten sind, aber trotzdem ist hier einiges anders! Bevorzugt wird die protzige Louis Vuitton Tasche anstatt der zurückhaltenden Céline oder Balenciaga Bag deren Aussagekraft sich nur einem sehr erlesenen Kreis an Insidern erschließt. High Heels sind generell eher ein No-Go, es sei denn man möchte mit einem Escort Girl oder einer russischen Oligarchin verwechselt werden. Für mich als Fashion Freak ist es daher oft schwierig den schmalen Grat zwischen den neuesten Fashion Trends ( die dann oft belächelt oder nicht verstanden werden) und dem in meiner Stadt vorherrschenden Protzwahnsinn zu meistern… Ich bin ein großer Fan von Understatement, und so ist es für mich immer eine große Freude nach München zu fahren, wo mein Style- wie ich denke- besser verstanden wird!
In diesem Sinne, haben Sie eine schöne Woche- liebe Grüße,
Gabi