Frank, mein geschiedener Mann, ist ein Arschloch, das muss raus. Er ist der Vater unseres gemeinsamen Sohnes Jacob, der seit Sommer in die Schule geht. Seit Sommer sind wir geschieden. Es ging ganz schnell, keine 30 Minuten, dann waren wir beide wieder frei, beziehungsweise ich war frei, denn Frank heiratet schon wieder. Seine Freundin Moni ist schwanger, deshalb.
Frank war meine große Liebe. Er ist ein toller Mann – eigentlich – auch wenn ich ihn als Arschloch beschimpfe, er ist toll, aber hat eben einen miesen Charakter. Er kann nämlich nicht ehrlich sein. Er hat Schiß, vor was auch immer, und deshalb sagt er nie die Wahrheit, er erfindet kleine Lügengeschichten, die ihn und sein Verhalten in ein positives Licht rücken sollen.
Frank und ich waren 6 Jahre zusammen und 5 Jahre verheiratet – 3 davon waren schwierig bis sehr schwierig. Als ich mit Jacob schwanger wurde, begann er die Beziehung zu Moni, einer Assistentin aus der Marketing-Abteilung. Ich merkte lange nicht, dass da was lief, ich war glücklich, ein Baby zu erwarten. Und ehrlicherweise fehlte mir auch das Vorstellungsvermögen, dass ein Mann, MEIN Mann, seine schwangere Frau, MICH, einfach so mit einer anderen bescheißt. Und dass es Frauen gibt, die da mit machen. Moni.
Es gibt Verletzungen, die kann man nicht wieder gut machen. Die letzen Jahre waren für mich eine Achterbahnfahrt der Gefühle und einfach nur schrecklich. Ich war erleichtert, als wir im Sommer dann endgültig geschieden waren.
Familienfeiertage. Weihnachten war unproblematisch. Der kleine Jacob und ich verbrachten die Tage – wie auch zu Zeiten unserer Ehe – bei meinen Eltern Österreich, wir haben dort ein wunderschönes Bauernhaus in den Bergen, romantisch und ruhig und behaglich, ein heiler Ort der Familie. Heilig Abend verläuft immer gleich. Es gibt Rehbraten und Spätzle, danach Bescherung und schließend spazieren wir alle zur Christmette in die Dorfkirche. Am ersten Weihnachtsfeiertag Gans und ab dem zweiten Weihnachtsfeiertag Skifahren. Mein kleiner Bruder ist auch immer da – und so vermisste ich Frank nicht wirklich.
Doch dann kam Neujahr. Silvester. Ich war eingeladen bei Schulfreunden auf einer Party. In deren Haus, mit Dinner, DJ und Mitternachtswalzer. Sofort zugesagt, nicht nach gedacht, dass ich ja da GANZ ALLEIN sein würde.
Jacob blieb bei meinen Eltern daheim, ich war also „Single“ – und das mit 37 Jahren! Na klar könnte man sich freuen, hurra, Silvester auf einer Party, die alte Clique dabei. Vielleicht ein Flirt, oder wenigstens mal mit anderen Männern zusammen tanzen….
Aber die alte Clique, das sind mittlerweile eben alles Pärchen. Das wurde mir schlagartig bewußt, als ich etwas verspätet, kurz nach 8 Uhr zum Aperitif eintraf. Die Männer, alle zwischen 35 und 50 Jahren, schauten mich begeistert an. Ich trug ein schwarzes kurzes Cocktailkleid mit tiefem Dekolleté, das ich mir bei Zara ergattert hatte und dazu wirklich sexy Sandaletten aus schwarzem Python von Aquazurra und die Clutch von Saint Laurent, die meine Eltern mir zu Weihnachten geschenkt hatten. Glamour aus der Großstadt!
Aber die Frauen waren wenig begeistert von mir. Ich spürte diese latente Abwehrhaltung, dieses wittern einer Gefahr. Diese Frauen – meine alte Clique!!! – standen mir mißtrauig und fast ein bißchen feindselig gegenüber. Okay, einige waren ganz schön unsexy geworden, das muss man zugeben. Aber die Männer dazu waren auch eine optischen Hechte mehr.
Meine Güte, Mädels, ich will Euch doch nicht die Männer weg nehmen! Ich will einfach nur wieder MEIN Leben geniessen – und vielleicht auch einen neuen Mann kennen lernen. Aber bestimmt keinen, der verheiratet ist, das habe ICH erlebt und das würde ich nie jemandem antuen!
Das gesetzte Essen. Es gab Fondue, köstliches Fondue, herausragenden Veltliner, Wodka zum runterspülen und die lange Tafel war niedlich gedeckt mit kleinen Glücksschweinchen, Tröten, Luftschlangen und kleinen Hütchen, die man sich auf den Kopf setzen konnte. Alles top.
Nur: ich saß natürlich stigmatisiert in der „Single“ Ecke. Das ist einerseits nett, denn nur so kann man ja… aber andererseits…ich bin undankbar, ich weiß. Mein Single Tischherr war Matthias, genannt Matze, der mir schon auf der Abiturfahrt seine Liebe gestanden hatte (und mich schon damals nicht interessierte). Gegenüber saßen Cornelia, eine Single Frau aus München, Zahnärztin, etwa 35, und Tom, ein kautziger, leicht untersetzter Mittvierziger, der irgendetwas mit IT macht. Um 11 war das Dinner beendet und wir gingen auf den „Dancefloor“, das umgestylte Wohnzimmer, von dem man einen unglaublichen Blick hinauf in die Berge hat.
Alles war liebevoll dekoriert und der DJ spielte echt tolle Musik, wir tanzten alle und IT-Tom machte mir ein bißchen den Hof. Man merkt das ja als Frau, ob ein Typ auf einen steht. Und ja, natürlich ist es toll, wenn man ein bißchen verehrt wird. Aber doch nicht von SO EINEM!!!
Silvester rückte näher und damit das große Unheil. Die Gastgeber hatten sich „eine Überraschung“ ausgedacht. An der großen Fensterfront hinaus auf den Balkon hingen Mistelzweige und jedes „Paar“ sollte sich einen suchen! Das muss man sich vorstellen!!! Gut gemeint ist das Gegenteil von gut, das war das endgültige Beweis. Denn unter einem Mistelzweig küsst man sich ja bekanntlich. Aber ich hatte weder Lust auf Matze noch auf den dicklichen Tom.
Cornelia muss es ähnlich gegangen sein. Sie schaute mich fragend und verzweifelt an. Und als der Countdown im Radio lief, düsten wir uns zusammen unter den hintersten Mistelzweig und schauten, nein wir starrten, ostentativ nicht nach rechts oder links, sondern gerade aus Richtung Bergpanorama und begrüßten das neue Jahre mit Bussi Bussi und so war die peinliche Situation einigermaßen überstanden.
Aber natürlich ist so etwa psychisch nicht überstanden. Das nagt. Den Kaiserwalzer, der auch im Radio lief, „überstand“ ich, in dem ich allen ein frohes neues Jahr wünschte. Aber dann wurde mir schrecklich bewußt, wie einsam und alleine ich war. Keiner küsst mich an Neujahr. Neujahr, der exakte Jahreswechsel um 0.00 Uhr, ist genau DER Moment, wo Dir Dein Single sein schrecklich bewußt wird.
Da hilft auch kein Ruinart der Welt. Ich war alleine und tanzte als Single ins neue Jahr. Ich blieb bis 2 Uhr, es war noch lustig, und ich tat so, als sei ich fröhlich und vergnügt, tanzte auch mit dem dicken Tom, aber ich war froh, als ich wieder daheim war, ins Schlafzimmer ging und da lag mein kleiner Jacob selig bei mir im Bett und atmete sanft und da verdrückte ich die erste Träne des Jahres. Und nahm mir vor: nächstes Jahr habe ich entweder wieder einen Mann, MEINEN Mann, der mich küßt. Oder ich bleibe daheim bei der Familie oder feiere in kleinem Kreis…..
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