Alle Fotos von der Fashion Week: @jeremymoeller
Pinkfarbene Haare, Logo-Mania, 40cm Plateau-Schuhe – die Mode ist bunt, verrückt und lustig, so war es schon immer bei der Fashion Week und…..Quatsch. Großer Quatsch. Mode war früher – in Zeiten VOR Streetstyle und Blogger-Hype – ein Abbild des guten Geschmacks. Die Festschreibung des aktuellen Zeitgeistes in Textilien. Luxus. Ein Traum.
Doch dann….kamen die Streetstyle Fotografen und suchten nach gut angezogenen Frauen, die sie auf ihren Blogs und in internationalen Zeitschriften zeigen konnten. Am Anfang waren das wenige. Wenige Fotografen lichteten wenige wirklich top gekleidete Frauen ab. Es ging um Raffinesse, um Stil und um Eleganz. Manchmal auch um Coolness. Um Sexappeal und um ein verwegenes Styling, dass die Follower/Leser entzückte. Den Pulli frontal ein wenig in den Hosenbund stecken, das ist so ein Trick aus der Streetstyle Kiste.
Anna dello Russo, die legendäre Stylistin und Modechefin der japanischen Vogue, fing als erste damit an. Damit an, einen HYPE um dieses Fotografiert werden zu kreieren. Sie zog religiös zu jedem Outfit einfach einen glamourösen Hut, einen schrägen Faszinator oder eine coole Cap auf. Und natürlich blitzten die Kameras ganz besonders intensiv, wenn Anna kam. Und die Follower clickten und liketen, größer, schneller, weiter, es hat sich alles verändert!
Heute, 2018, sind sie alle Over The Top gestylt. Die ganzen Fashionistas, Blogger, Influencer. Keiner zieht sich mehr „normal“ an. Denn sie wollen den Streetstyle Fotografen gefallen. Und dazu müssen sie auffallen. Aus der Masse heraus stechen. Anders sein. Besonders sein. Gefeatured werden auf einer relevanten Online Seite wie die der New York Times. Oder im Magazin bei Stylebop.com oder Net-a-porter. Da wird mit Reizen nicht gegeizt. Die schrägsten Farben- Muster- und Stil-Kombinationen türmen sich in einem Outfit auf, zur it-Bag kommt der it-Hut, die it-Sonnenbrille, die schrägen Schuhe, die bunten Tücher und crazy Anhänger und so weiter und so weiter…und am Ende sieht die Trägerin aus wie eine erfolgreiche Vogelscheuche auf einem deutschen Maisfeld. Hauptsache Blitzlichtgewitter!
Wie kann man in einem Meer der Scheußlichkeiten auffallen? Will man das überhaupt? Zunächst sollte man der Fairness halber anmerken, dass die Outfits der „Vogelscheuchen“ aus Einzelteilen bestehen, die toll, hochwertig, schick und edel sind. Doch: „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“…heißt der berühmte Satz von Homans…. haben wir mal im Proseminar gelernt…..
Also: eine Nummer, am besten zwei Nummern, runter reduzieren. Dann hätte man wirklich schicke, moderne, zeitgemäße Looks. Ein couturiges Top, edel drapiert. Ein asymmetrisch geschnittener Faltenrock. Eine extraweite Hose. Ein dramatischer Ärmel. Das alles reicht schon, um feine Basics (die wir alle im Schrank haben) modisch auf zu werten. Eleganz besteht immer im Weglassen des Überflüssigen. Es braucht nicht NOCH ein auffälliges Teil. Aber EIN auffälliges Teil. Das, genau DAS, ist die Fashion Formel fürs Frühjahr 2018. Ein Klecks Extravaganz.
Wie gesagt: das kann eine exzentrische Sonnenbrille sein, eine gewagte Mütze – oder ein (klassischer) Schuh in einer ausgefallenen Farbe. Rot, Blau oder Weiß.
It’s all about Colour heißt beispielsweise das Motto im Stuttgarter Modehaus Breuninger oder It’s all about Socks – das ist das aktuelle Motto von Glamometer. Es genügt ein Akzent, und das schlichtes Outfit wird interessant. Tragen Sie Gelb mit Braun, stylen Sie Söckchen zu Ihren schicksten Schuhen, oder addieren Sie eine Seemannsmütze zum klassischen Jeans-Outfit.
Wenn alle auffallen, wenn alle immer schräger und verrückter werden, ist das kein Grund für eine erwachsene Frau da auch mit zu machen. Wir leben hier, abseits der Fashion Metropolen und der turbulenten Fashion Weeks, ein „normales“ Leben. Mit Job und Ehemann und Boyfriend, mit Schuldirektoren und Bäckereiverkäuferinnen und da wollen wir…..gut aussehen, modern, kreativ und am Zeitgeist. Aber eben nicht wie eine Person, die man nicht ernst nehmen kann.
Unten: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile……zu viel des Guten, gesehen bei Gucci….(und jetzt stelle man sich die coole türkisfarbene Beutel-Tasche an einem schwarzen Outfit vor!!!)
Unten:Super cool. Aber zum Bewerbungsgespräch auf der Stadtverwaltung?
Unten: Ein lebendiges Manga-Mädchen! So etwas sieht man wirklich nur auf der Fashion Week….
Kollegen – Konkurrenten von Anna irgendwo kleiden sich heller, irgendwo noch exzentrischer, aber es ist der Status, der in den Bildern von Wintour gelesen wird, dass die Fähigkeit, teuer auszusehen, es immer auf einen Schritt über jeden der Stars des Streetstyle bringt.
Danke für die Kommentar, mehr davon!