Beitragsfoto: Annette Weber in Hosen von Gucci, Überwurf von Etro, Sneakers: Balenciaga, Fotos Copyright: w.kreuzer
Auf festivalticker.de kann man sehen, wie viele Festivals es in Europa und in Deutschland gibt – jedes Wochenende sind das etliche. Vom Jazz Openair bis zum Electro Rave. Wir Deutsche lieben Festivals, die ausgelassene Stimmung, tanzen, lachen, trinken, das Fünf-mal-gerade-sein-lassen und die Geselligkeit, die damit einher geht. Campen im Zelt oder im Wohnmobil, Kaffee aus dem Becher und die Morgentoilette, na ja, Schwamm drüber bzw. eben nicht darüber…wenn die Schlangen vor den Dusch-Areas mal wieder länger sind, als das gesamte Festival dauert.
Festivals sind eine Art Überlebenstraining. Vor allem für erwachsene Menschen, die einen gewissen Komfort gewöhnt sind (aka Frau Weber)…..
….es nützt aber nichts, da muss man durch.
Und als einigermaßen kluge Frau mit Erfahrung hat man seine Tricks auf Lager. Wir „zelten“ beispielsweise nicht wirklich, unser Zelt ist eine Art Wohnzimmer während des Festivals, wir übernachten aber in unserem Auto, Rückbank umgeklappt, Doppelbett, Iso Matten rein, Schlafsäcke, herrlich und am nächsten Morgen das absolute Highlight…ein Knopfdruck auf die Fernbedienung und zack öffnet sich die Heckklappe meiner M-Klasse und wir haben Blick in die freie Natur. I LOVE MY MERCEDES, allein schon dafür.
Die Frage aller Fragen ist natürlich: was anziehen? Lustig und ein bißchen verrückt soll es schon sein, aber auch bequem und praktisch, man läuft und tanzt den ganzen Tag und die ganze Nacht damit. Flache Schuhe, logisch. Übrigens keine Gummistiefel, Anfängerfehler oder nur für VIPs, die sich für kurze Fotosession zeigen. Denn Gummistiefel stinken erbärmlich, sind bei Hitze zu heiß und wenn es regnet, bleibt man im Matsch stecken. Der Stiefel kleben fest und man sinkt in den Boden. Erbärmlich.
Wenn ich am Anfang des Jahres meine Festival-Termine zusammen stelle, überlege ich auch immer schon, was ich da anziehe. Ich kaufe mir wirklich selten Klamotten, aber fürs Festival gebe ich Geld aus. Die quietschegelben Gucci Puschen kaufte ich exklusiv sozusagen für mein Lieblingsfestival Ende Juni. Da hatten sie jetzt Premiere.
Warum ich überhaupt auf Festivals gehe, so als schicke und erwachsene Frau? Weil man einen schnellen Überblick über die angesagte Musik bekommt. Und: man erkennt die Mode-Trends von morgen und übermorgen schon heute. Weil dort – buchstäblich – die Musik spielt, denn Festivals sind die harte Währung, was von der Jugend getragen wird, ist ein eindeutiger Indikator.
Bei meinem Lieblingsfestival – es ist eines der coolsten weltweit – lehnen sie jede Art von Kommerz kategorisch ab, es gibt auch keine Sponsoren oder Bandenwerbung von Getränken oder überhaupt irgendwelche Werbung. Es geht tatsächlich um die Sache. Spaß miteinander haben und feiern.
Das Erstaunlichste: in erkennbaren Labels, also mit fetten Logos darauf oder dem Namenschriftzug wäre man total deplatziert. Die Gucci Sneakers beispielsweise mit den Herzchen darauf? Balenciaga Bag mit Namen? Off/White Gürtel? Unmöglich. Peinlich. Überflüssig. Ich drehte meine Gucci Messenger Bag immer nach innen, so daß keiner das fette Logo sehen konnte.
Man schämt sich geradezu dafür. Man schämt sich für exakt die Marken, die immer mit ihrer Streetcredibility Werbung machen, es ist ein Witz, nein, es ist geschicktes Marketing und das wird auf „ehrlichen“ Festivals entlarvt. Eigentlich ganz heilsam.
Trotzdem trage ich keine Billig-Mode. Im Gegenteil. Gerade als erwachsene Frau müssen „schräge“ Looks eine gewisse Qualität haben. Das sieht vielleicht keiner außer mir selbst. Aber es gibt ein anderes Feeling. Ein besseres, sicheres Gefühl. Mein peruanischer Überwurf ist nicht vom Dritte Welt Laden, sondern von Etro. Der süße Angler Hut nicht vom Opa, sondern von Prada. Die bestickten Trainingshosen nicht vom Kostümfundus, sondern von Gucci. Ohne Logo darauf. Nur Insider und ich selbst wissen Bescheid.
Dann erkennt man sich gegenseitig, was Spaß macht. Augenzwinkern, kleines hey, Daumenhoch, so süße Sachen, ein kurzes Gespräch, ein netter Austausch, wen hört ihr noch, wo ward Ihr gestern….
Wichtig sind auch – mehr denn je – coole Sonnenbrillen. Habe ich gerade das Adjektiv „cool“ benutzt? Eigentlich möchte ich es gar nicht mehr einsetzen. Coolness ist nämlich mittlerweile nur noch ein abgenutzter Begriff, ein morsches Dach für Marketing. Alles muss cool sein, sonst fühlt man sich schlecht und was cool ist, bestimmt natürlich die Werbung. Oder ein Star/Blogger/Redakteur/VIP, der dafür bezahlt wird, zu sagen, wie cool doch dieses Produkt ist und von Menschen, die eh keine Ahnung haben, dafür geliked wird. Coolness ist nicht käuflich.
Käuflich sind Produkte wie Sonnenbrillen, die ein gewisses Maß an Exzentrik besitzen. Abgefahrene Sonnenbrillen gehörten schon immer zur Grundausstattung einer Festival Garderobe und sind mittlerweile auch im modischen Mainstream angekommen. Eine schräge Sonnenbrille verändert den Look dramatisch und gibt ein gewisses Maß an individueller Authentizität. Was wiederum cool ist. Wirklich cool. Wirklich cool ist, zu tragen was man will, und nicht zu tragen, was man glaubt zu müssen. Aber wer kann das schon? Ich jedenfalls nicht….
Unten: Der Prada Anglerhut passend für Raves, Festivals und Parties in der Großstadt!
Absolutes Outfit! Bin ich ganz dabei!
Als ich den Insta post und den Verweis auf Glamometer wahrnahm, war ich entsetzt. Besagtes Festival (in der Story leider doch genannt) sollte nicht auch noch in Gänze dem Mainstream zum Opfer fallen. Zwei Tage ärgerte ich mich über die Schleichwerbung und die Notwendigkeit Gucci, Prada und Etro auf einem Festival zu tragen, welches jegliche Kommerzialisierung ablehnt; für das Menschen sich, teils nur für Kost und Logis, ein Jahr den Arsch aufreißen und dann Leute an ihnen vorübergehen, die in den Jahresdienst dieser „Idealisten“ gekleidet sind. Ich finde, ganz ehrlich, auch als erwachsene schicke Frau, wie sie es sind Frau Weber, ist es nicht nötig einen derartigen Markenwahn auf ein Festival zu tragen, welches als utopischer Gegenentwurf zu Ihrer Lebensweise entworfen wurde.
DAS IST PEINLICH UND SIE FÜHREN BESAGTES FESTIVAL AD ABSURDUM UND NIHILIEREN DIE EIGENTLICHE BOTSCHAFT.
Ich kann Ihre Aufgabe Trends aufzusüren nachvollziehen; ich stimme Ihnen zu, dass cool eine veraltete Platitüde darstellt, aber bitte lassen sie Subkultur ebendiese bleiben, sonst haben sie bald keine Inspirationsquellen mehr auf die Sie zurückgreifen können.
U.
Liebe Pinkepunkpanta, da haben Sie so was von Recht und deshalb habe ich den Namen des Festivals auch nicht genannt und das wird auch so bleiben. Ich bin da komplett inkognito – wie alle – und fühle mich wie alle anderen, die dort tanzen auch: frei! Und weil alle sich verkleiden und sich tolle Sachen basteln – unser Regenbogen Leuchtschirm war so süß!!! – ziehe ich mich eben auch „verkleidet“ an, in meinem Fall sind das dann eben Laufsteg Klamotten, aber who cares, es ist doch völlig wurscht, was man trägt, ob das jetzt Gucci oder Pimkie ist, bei diesem Festival geht es um Toleranz und um die Abwesenheit von Vorurteilen. Aber Danke für das Schreiben. Ich halte unser Lieblingsfestival in allen Ehren, es ist das TOLLSTE der Welt – sollen die anderen alle zum Burning Man, ich bleibe in Europa. Vielleicht sehen wir uns ja Anfang August irgendwo im Osten….Lieben Gruß Annette