Beitragsfoto: Frisches Obst aus dem Markt: Glamometer
Um 4 Uhr früh klingelt mein Wecker. EINMAL. Dann stehe ich auf. Natürlich ist das Bett gemütlich und warm, aber es nutzt ja nichts. AUFSTEHEN. Einach nur aufstehen befehle ich mir und dann ist es okay.
Ich bereite mir ein richtiges Frühstück zu, denn ich brauche Energie für den Tag. Im Moment arbeite ich 10 Stunden durch. Akkordarbeit. Ich arbeite, wie es im Moment so schön heißt, in einem systemrelevanten Beruf – im Supermarkt.
Ich mache mir also eine Obstschüssel mit Beeren und Nüssen. Da sind alle Vitamine drin. Ein gesundes Frühstück also, mein Start in den Tag.
Ich fahre mit der S-Bahn zur Arbeit, so früh ist es ruhig, es sitzen immer die gleichen da. Krankenhausmitarbeiter, Handwerker, Reinigungskräfte, manchmal auch feierndes Volk. Aber keine Büro-Leute. Die fangen später an.
Bei mir geht es um 5.40 los. Ich ziehe mich um: vorgeschriebene Marktkleidung. Schichtbeginn ist um 6 Uhr. Der Marktleiter teilt ein, wer welchen Bereich übernimmt. Zwei für die Obstabteilung, zwei machen Mopro, also Milchprodukte, einer übernimmt die Back-Theke, zwei sortieren Trockensortiment, also Nudeln, Reis, Konserven ins Regal.
Frauen und Männer verrichten die gleichen Tätigkeiten, also auch Einsortieren von schweren Produkten. Ja, Frauen stapeln Getränkekisten. Da braucht man Muckis.
Meine Lieblingsarbeit ist Obst- und Gemüse. Es ist ein Meisterstück, das gut zu können. Das Obst wird in Kisten geliefert, Holz, Pappe oder Plastik, je nachdem, wo die Ware her kommt. Die Plastik-Kisten sind übrigens Pfand-Kisten, also alles okay. Als erstes schaue ich, welches Obst vom Vortag noch okay ist. Ob Druckstellen sind oder Befall. Das wird dann sofort aussortiert. Ich drapiere das frische Obst möglichst appetitlich. Zitrusfrüchte stapele ich wie auf Italienischen Märkten. Das lieben meine Kunden. Der erste Spargel ist jetzt auch schon gekommen, aus Polen, den habe ich in Treppenform geordnet.
So ab 7 Uhr gehe ich an die Bestellung für den nächsten Tag. Um die Uhrzeit wissen wir, was bei den Großhändlern oder den regionalen Händlern oder Bauern verfügbar ist. Dann wird die Ware komissioniert. Ach ja, und natürlich muss die neu angekommene Ware nach Herkunft und Handelsklasse ausgezeichnet werden. Die Preise ändern sich ja täglich, es kommt immer darauf an, wer liefert.
Um 8 Uhr öffnet unser Markt. Letzte Woche standen schon Menschentrauben vor der Tür. Es war wie Weihnachten und Wochenende auf einmal. Die Kunden fragen uns jetzt ständig ob die Lieferketten funktionieren. Nein, tun sie nicht. Oder nicht so wie sonst. Manchmal wird Obst komissioniert. Beispielsweise wenn zu wenig Bananen da sind, oder, wie letzte Woche, Salz. Es ist so: theoretisch ist genug Ware da. Praktisch fehlen unsere LKW-Fahrer. Die kommen nicht über die Grenzen. Wir haben zwar viel Ware aus Deutschland, aber unsere Fahrer kommen aus Osteuropa und stecken fest. Klopapier war mal 2 Tage aus, Tomatensauce und Reis war auch mal knapp. Aber das kommt dann halt einen Tag später. Es kommen LKW, aber eben nicht so häufig wie sonst. Verhungern muss keiner.
Kasse ist gerade ein mulmiger Bereich. Eigentlich mag ich es, an der Kasse zu sitzen, weil man mit den Kunden kommuniziert, Feedback bekommt. Wir haben keine Schutzmasken, aber Handschuhe. Diese Woche sollen wir Spuckschutzscheiben bekommen. Höchste Zeit!
Kunden können manchmal ganz schön fies sein. Ausflippen und ausfällig werden. Wenn ihr Lieblingsprodukt gerade nicht vorrätig ist. Oder sie frustriert sind. Leider sind wir oft der Blitzableiter für Frauen, die von ihren Männern unterdrückt werden, von Männern, die Stress im Büro haben. Die lassen es dann richtig an uns aus. Vor Weihnachten gab es mal eine Schlägerei im Markt – wegen 4 Mangos!
Aber im Moment sind alle wirklich geläutet, nett und entspannt. So könnte es eigentlich immer sein.
Mein Vormittag vergeht wahnsinnig schnell. Die Frühschicht ist deshalb meine Lieblingsschicht. Du guckst auf die Uhr und es ist 11 Uhr. Es gibt ständig was zu tun. Einfüllen, Regale putzen, Ware drapieren, spiegeln, Laden kehren, Laden fegen, Sonderaufbauten, Lagerlogistik.
Um 12 ist Schichtwechsel, dann kommt die Spätschicht. Mittags ist besonders viel Personal da, weil da alle einkaufen. Da ist der Ansturm. Wenn die Büros offen haben, holt sich jeder was zu essen. Ich habe eine halbe Stunde Pause, esse frisches Obst oder mache mir Rühreier. Wir haben eine kleine Küche. Mit den Kollegen kann ich leider selten Pause machen. Wir sind so eingeteilt, dass keiner länger als nötig von der Fläche weg ist.
Nachmittags hat man weniger Aufgaben zu bewältigen – sitzt meist an der Kasse. Nachmittags zieht sich die Schicht. Du sitzt manchmal einfach 8 Stunden an der Kasse. Das ist ganz schön zäh. Das ist Akkord. Die Leute stehen in Schlangen durch den halben Laden und immer nur Biep Biep Biep. Ich arbeite im Moment bis 16 Uhr, dann bin ich aber auch wirklich durch.
Die Spätschicht schließt den Laden. Eigentlich um acht. Aber es kommen immer Kunden auf den letzten Drücker…. Wir können die Abschlüsse erst machen, wenn der letzte Kunde kassiert. ist. Das dauert halt. Faustregel: eine halbe Stunde nach dem letzten Kunden ist man fertig. Dann wird der Laden geputzt, wir putzen selber. Mit einer Putzmaschine. Die benutzt man auch tagsüber zum Beispiel jedes Mal nach dem Obst auffüllen. Der Salat ist nass, die Kartoffeln erdig, Kunde lässt Milch fallen, Du bleibst mit dem Ärmel an einem Joghurt hängen oder an einer Bierflasche….
Mülleimer entleeren, Wägen hinstellen für die Frühschicht.. wenn man sehr viel Glück hat, ist man um 20.30 Uhr fertig, wenn man Pech hat um 21.30.
Manche Kollegen haben eine Stunde Heimweg. Unser Marktleiter wohnt auf dem Land, der braucht mit Umsteigen 1,5 Stunden…
Wenn ich Spätschicht habe, bin ich richtig ausgehungert. Das ist eine ganz unangenehme Mischung aus Hunger und Müdigkeit. Ich mag die Frühschicht viel lieber, weil man noch was vom Tag hat. Man kommt um 3 raus, dann ist der Tag noch fresh. Abends ist es immer dunkel, der Tag vorbei.
Der schlimmste Tag von allen ist der Samstag. Einmal bin ich direkt aus dem Club gekommen…. Samstag Rekordumsatz und nicht geschlafen, das wie eine heiße Herdplatte anfassen, das macht man nur einmal. DAS GEHT GAR NICHT.
Ich mag meinen Job wegen dem Kundenkontakt. Ich unterhalte mich gerne mit meinen Kunden, kläre sie über Lebensmittel und Ernährung auf. Ich liebe Lebensmittel. Ich mache einen wichtigen Job. Alles super – bis auf die Bezahlung ….