Beitragsfoto: Kennen sich seit Jahren und machen zusammen „Cashmere Monday“ Andrea Karg von Allude und Annette Weber. Copyright: Glamometer
„Unsere Branche ist in Aufruhr, Corona macht uns allen, der gesamten Mode-Industrie, schwer zu schaffen.
Vor 10 Tagen kamen die ersten Anrufe von besorgten Einzelhändlern. Wir dachten, oder hofften noch, dass es vielleicht nicht so schlimm werden würde. Durch die Medien haben wir dann erfahren, dass alle Geschäfte schließen müssen. Ich bin kein Mensch, der in Panik gerät. Ich habe mich, ich habe uns alle, beruhigt. In so einer Situation waren wir alle noch nie, daher ist es wichtig, einen klaren Kopf zu bewahren.
Ich schildere mal kurz die Situation: da alle stationären Geschäfte schließen mussten, machen unsere Einzelhändler NULL Umsatz, müssen aber weiter Miete und Gehälter bezahlen. Wir, die Hersteller, sitzen auf unserer Sommerware, die wir vorfinanziert haben und die jetzt im Lager liegt. Gleichzeitig müssen wir die Herbstkollektion anschieben und finanzieren. Es gibt keine Lösung. Denn die Sommermode ist ja produziert. Zum Glück haben wir bei Allude viele Klassiker im Programm, also Pullover, die man das ganze Jahr anziehen kann. Aber erstmal liegen die alle hier und es gibt keine Kundschaft. Wir müssen uns irgendwas ausdenken.
Onlinehandel? Ja klar, der läuft, aber er kann den Umsatz aus dem stationären Handel im Moment noch nicht auffangen. Zumal, ganz ehrlich, die Kundinnen im Moment auch wenig Lust auf Shoppen haben. Die sorgen sich um ihre Gesundheit und die Arbeitsplätze. Das kann in zwei drei Wochen natürlich wieder anders aussehen. Hoffen wir das Beste.
Bei uns sind alle Mitarbeiter noch gesund und fröhlich. Wir teilen uns auf. Die einen machen Homeoffice, die anderen kommen in die Firma. Wenn man kleine Kinder hat, ist man ja auch mal ganz froh, raus zu kommen. Die wichtigsten Positionen sind im Moment der Empfang, damit die Pakete, die die tapferen Boten von der Post oder von UPS noch ausliefern, auch angenommen werden. Außerdem ist unser Customer Service besetzt und unser Design-Team ist da. 50 % sind zuhause.
Wir produzieren ALLUDE in China. Dort gibt es das beste Rohmaterial, unseren Cashmere, und der ökologische Footprint stimmt. Wir haben mit unserer Fabrik dort europäische Standards aufgesetzt, die Angestellten verdienen gut, ökologisch ist alles zertifiziert. Unser Produzent war nicht direkt von Corona betroffen. Aber die Regierung hat den Shutdown angeordnet und dann waren doch alle betroffen, ob sie wollten oder nicht. Ich stehe in täglichen Kontakt mit China. Es sind zuverlässige Partner seit 20 Jahren. Ich möchte natürlich wissen, wie es denen geht. Ich weiß, China wird oft kontrovers dargestellt, aber ich kann nur Bestes berichten.
Ja, es ist die schwierigste Situation, die wir je hatten. Vor 20 Jahren, da gab es mal kurzzeitige Handelsbeschränkungen mit China. Aber das ist nix im Vergleich zu jetzt. Erstaunlicherweise hatten wir in der Weltwirtschaftskrise 2008 keine Einbußen, da haben unsere Kunden weiter gekauft. Vielleicht weil die Krise weit weg war.
Wie es mir persönlich geht? Ich habe meine guten und meine schlechten Tage. Das alles geht nicht spurlos an mir vorüber. Ein riesengroßes Asset ist mein täglicher Spaziergang draußen im Wald. Und ich schaue abends „Rosenheim Cops“. Ganz trivial, aber heile Welt. Unschuldig.
Was ich wichtig finde, ist Freunde anzurufen. Ein Glas Wein, und dann schön telefonieren und zwar am Festnetz. Wir sprechen gerade ganz intensiv miteinander und auch konzentriert, das haben wir lange vernachlässigt. Wir machen uns gute Gedanken und bauen uns gegenseitig auf. Schön!“