40 Jahre und älter? Dann lesen Sie nicht weiter, Sie könnten sich ärgern. Wir, die über 40 jährigen, sind zwar zahlenmäßig in der Mehrheit, aber für die Modebranche ausgemustert. Sie interessiert sich nicht mehr für uns. Alles auf die Millennials.
Die Jugend-Huldigung war zwar schon immer die Triebfeder der Fashion Industrie, aber jetzt erreicht die Heiligsprechung neue Höhepunkte. In Mailand lud das Designer Duo Dolce & Gabbana zu einer „geheimen“ Millennials-only-Modeschau. Unter den Hashtags #DGMillennials und #DGSecretShow modelten ausschließlich Kinder- und Influencer-Mannequins — 14 Stunden vor der eigentlichen Show. Eindeutiger geohrfeigt wurde man als Ü 40 schon lange nicht mehr. Die Exklusion der kaufkräftigen Zielgruppe, das ist tollkühn!
Ein gigantisches Fragezeichen steht über der Modebranche. Wie geht es weiter? Wie verjüngen wir uns? Wie schaffen wir es, Millennials anzusprechen? Diese Generation Y, die nach 1980 geborenen „Internet Natives“ stehen mit ihren hedonistischen, nicht auf Besitz fixierten Lebensentwürfen im diametralen Gegensatz zu den Baby Boomern, der Generation davor, denen Luxus, prestigeträchtige Jobs und regionale Wurzeln wichtig waren. Millennials kommunizieren und konsumieren völlig anders.
„Panik ist ausgebrochen“ sagt Vanessa Losch von der Kommunikation Agentur V-Communication, die Kunden wie Fendi, Longchamp und Piaget betreut. „Alle haben Angst, die junge Generation zu verpassen und werfen hektisch ihre bekannten Kommunikationskanäle über Bord. Da werden dann Unsummen für einen schnellen Post bezahlt, der sich am Ende nicht rentiert, weil er die passende Zielgruppe nicht trifft.“ Losch empfiehlt ihren Kunden einen strategisch sinnvollen, auf die Marke maßgeschneiderten Mix aus klassischer Pressearbeit und Empfehlungs-Marketing via Internet. „Eine gesunde Portion vom Alten. Was sich bewährt hat, ist niemals falsch!“
Wie sieht es aus, das Patentrezept? Vieles wird probiert, manches verworfen. Weder hat das Life-Streaming von Modeschauen gezündet, noch der kurzzeitige „See Now Buy Now“ Hype, der schon wieder diskret in der Versenkung verschwunden ist. Und das Problem zieht sich von den Herstellern in den Handel weiter.
Der gebeutelte Retail steht seit langem vor der Frage: wie spricht man junge Kundschaft an ohne die alten zu vergraulen?
„Vollgestopfte Regale, Tische voller Ware, Textilberge, wie sie in vielen Läden noch zu finden sind, wirken spießig und abtörnend“, sagt Angelika Schindler-Oberhaus, Vorstand der KATAG AG in Bielefeld und Europas größter Textil-Verbund. Also: Warendichte reduzieren. Außerdem: „In deutschen Modehäusern gibt es noch immer die soziodemografisch aufgebauten Abteilungen Young Fashion, Modern Classic oder Best Ager, alles Pfründe und strikt getrennt, als ob Frauen nicht eine coole Jeans kaufen UND dann noch einen luxuriösen Mantel dazu. Das Schubladen Denken muss aufhören.“
Vorreiter ist – mal wieder – der Branchen Primus Zara. Hier gibt es keine altertümlichen Abteilungen mehr, sortiert nach Alter oder Einkommen. Hier hängt die Ware in einem großen Raum und die Läden sind voll – mit allen Altersgruppen. „Auch ältere Frauen wollen mit der Mode gehen“ sagt Angelika Schindler-Obenhaus.
Wie lockt man Alt UND Jung ins Modegeschäft? Mit Events. Das Münchner Traditionshaus Konen veranstaltet beispielsweise jede Saison eine Modenschau, bei der die herkömmlichen Models durch Jugend-Idole und Influencer wie Riccardo Simonetti oder Marie Nasemann ersetzt werden. Über die Show wird dann sowohl in klassischen Medien berichtet, als auch auf relevanten Blogs. Dr. Gabriele Castegnaro, Geschäftsführerin von Konen sagt: „Das ist nicht einfach ein saisonales Standardkonzept. Wir schauen genau hin, was es in der Mode zu sehen gibt, was in der kreativen Szene und der Kunst passiert. Dann versuchen wir, das zugrunde liegende Lebensgefühl herauszufinden.“
Am oberen Ende des Spektrums, bei Chanel in Paris, heißt die sympathische Idee: alle mitnehmen! In der berühmten ersten Reihe saßen (u.a.) Lilli Rose Depp, 18 Jahre, neben Caroline de Maigret, 42 Jahre und Anna Wintour, Sixtysomething Vogue Powerhouse. „Es ist die Story von Müttern und Töchtern. Wir sind in der Lage alle Generationen anzusprechen, das ist Teil unserer DNA“, sagt Chanel’s Fashion Präsident Bruno Pavlovsky in der Branchen Bibel „BOF“. Lilli Rose Depp, Tochter von Vanessa Paradis und Johnny Depp ist das aktuelle Anzeigen-Model für „No.5 L’Eau“. Der original Duft „Chanel No.5“ ist noch immer ein Millionseller und Meilenstein des Hauses, aber alterte ein bißchen mit seiner Kundschaft. „No. 5 L’Eau“ ist – wie Depp selbst – eine frische, junge Interpretation des bewähren Klassikers. Und Caroline de Maigret, die gefeierte Buch-Autorin (die Depps Mutter sein könnte), ist das aktuelle Gesicht der Anzeigenkampagne für die neue Handtaschen Linie “Gabrielle” . Integration der Generationen: Wir schaffen das!
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