Ich zog den Kleinen gerade für den Kindergarten an, als es an der Haustüre klingelte. Es war der Gerichtsvollzieher, unser Gerichtsvollzieher, wir sollten uns noch häufiger begegnen, aber das wusste ich damals noch nicht. Der Gerichtsvollzieher stellte ein paar Fragen, irgendeine Rechnung, die Jan nicht bezahlt hatte, ich war unglaublich aufgeregt und gab dem Gerichtsvollzieher die Summe in bar.
Jan, mein Mann, ist selbstständig er betreibt ein kleines Tonstudio, Werbe-Jingles fürs Radio, er ist ein cooler Typ, lässig, so Marke Sunshine und kreatives Chaos. Nur mit der Buchhaltung hat er es nicht so und deswegen half ab und zu eine Freundin aus.
Als Jan abends nach Hause kam, lachten wir über den Vorfall, es war die Rechnung für ein Mikrophon, die er offensichtlich vergessen hatte zu zahlen. Wie bescheuert, sagten wir noch, die ganzen Mahngebühren, die sich zur eigentlichen Summe addiert hatten, ha wie lustig.
Ich vergaß den Vorfall…. bis kurz darauf der Kindergarten anrief. Sie sagten, dass wir die letzten 3 Monate nicht bezahlt hätten und dass wir das doch bitte dringend erledigen sollten, damit unser Sohn Tobias auch weiterhin kommen könnte.
Da ahnte ich zum ersten Mal, dass etwas nicht in Ordnung war. Ich sprach Jan drauf an, er tat unwissend, das gibt’s doch nicht, haben doch Dauerauftrag, und versprach sich zu kümmern. Und so fing seine Lügerei an.
Überschuldete Menschen verstricken sich in ein Netz von Lügen, Halbwahrheiten und Hoffnunghirngespinnsten, sie erfinden abenteuerliche Geschichten um von ihrem Versagen, also ihrer Überschuldung, abzulenken. Bei Jan kam die Ausrede, dass ein großer Kunde nicht bezahlt hätte. Ich glaubte ihm. Meine Eltern glaubten ihm.Und liehen ihm 10.000 € um unseren Engpass zu überbrücken. Aber ich spürte, dass etwas faul war. Denn Jan überschüttete mich in der Zeit mit Geschenken, er brachte mir Blumen nach Hause, führte mich ein paar mal groß zum essen aus und brachte für Tobias eine Moncler Jacke, als ob das Kind die wirklich gebraucht hätte! Bei allem hatte ich ein schlechtes Bauchgefühl, warum lud mich Jan ohne wirklichen Grund in ein so teueres Restaurant, warum musste unser Kind, das ja noch in der Wachstumsphase war, eine so exclusive Jacke tragen, der private Kindergarten war doch teuer genug!?
Von den 10.000€ zahlte Jan….nichts, zumindest nicht seine Schulden. Er zahlte auch nicht den Kindergarten der immer bedrohlicher mit einer Kündigung drohte. Meine Eltern übernahmen die Hälfte der fälligen Gebühren und ich stotterte den Rest ab, mit meinem kleinen Gehalt, welches ich als Halbtagskraft in einer Agentur verdiene.
Überschuldung und Insolvenz bahnen sich langsam an und explodieren wie ein Vulkanausbruch. Plötzlich kamen sie, all die Rechnungen, die Mahnungen und einstweiligen Verfügungen , die Einschreiben, mit Rückschein, die Besuche vom Gerichtsvollzieher.
Am schlimmsten war, dass Jan so tat als sei nichts. „Wird schon“, sagte er immer: „alles halb so schlimm“ beschwichtigte er mich. Aber ICH war gestresst und verängstigt und konnte nachts nicht mehr schlafen. Wir stritten uns, immer häufiger und immer heftiger. Ich muss das jetzt im Schnelldurchlauf beschreiben, nur kurz: es war die Hölle.
Unsere Streits und die permanenten Sorgen führen dazu, dass wir uns trennten. Ich zog aus unserer gemeinsamen Wohnung aus und „vorübergehend“ zu meinen Eltern. Wenn ich damals gewußt hätte, was auf mich zu kommt….
Das Ganze ist jetzt drei Jahre her. Mein Leben hat sich komplett gedreht. Ich wohne mit Tobias noch immer bei meinen Eltern, denn ich stottere Jans Schulden ab. Ich zahle noch immer die Miete für unsere gemeinsame Wohnung und die Leasingraten für unser Auto, die ganzen Computer und Soundsysteme für sein Studio. Zwischendrin war auch MEIN Konto gesperrt. Ich habe ein Schufa Auskunft und keine Kreditkarten mehr, wobei, wer sollte mir überhaupt noch einen Kredit gewähren, bei meinem Kontostand. Im Moment kommen meine Eltern für mich und Tobias auf, es ist peinlich und entwürdigend.
Jan hat nicht nur sich, sondern auch mich finanziell ruiniert. Es ist nämlich so, dass man aus bestimmten Verträgen, die man zusammen abgeschlossen hat, nicht mehr alleine rauskommt. Man muss für den anderen mit bezahlen, wenn dieser insolvent ist. Das ist die Rechtslage und sie ist eindeutig.
Wenn ich heute zurückblicke, hätte ich etwas merken müssen? Hätte ich einen Riegel vorschieben können? Unsere Beziehung, unsere kleine Familie retten können? Ich weiß es nicht. Ja, wir hatten ein angenehmes Leben, eine schöne Wohnung, ein großes Auto und Urlaube zweimal im Jahr. Aber Jan hatte doch schließlich große Kunden, es schien alles so perfekt. Ich bin so froh, dass ich wenigstens meinen Job behielt nach Tobias Geburt, denn Jan wollte, dass ich aufhöre und daheim bleibe.
Am bittersten ist, dass Jan jetzt wieder eine neue Freundin hat, der er ein protziges Leben bietet. Ich sehe das auf ihrem Instagram Profil, sie postet stolz die ganzen Geschenke, die er ihr macht. Taschen von Prada und Champagner von Ruinart. Offensichtlich weiß sie nichts von seinen Schulden, die er bei mir hat, bei meinen Eltern hat, seinen Freunden, den fälligen Alimenten für Tobias, den Scheiß mit der Wohnung, in der sie jetzt ein und aus geht, für welche ich noch immer bezahlen muss.
Mein Rat an alle Frauen: Unterschreibt nie, wirklich niemals, auch nicht in Stunden größter Liebe, Verträge, die an Zahlungen gekoppelt sind, die man alleine nicht bedienen kann. Ich jedenfalls bin bedient für mein Leben
Fotoquelle: Instagram